23 February 2024

Sind Erlanger Jugendliche noch ausbildungsfähig?

Idealer Rahmen für erfolgreiche Ausbildung

Sind Erlanger Jugendliche noch ausbildungsfähig?


Erlangen 23.02.2024 | „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, gottlos und faul.“ Diese Diagnose ist bereits rund 2.500 Jahre alt und wird dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben. So pauschal will Wolfgang Mevenkamp, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Erlangen, Hersbruck und Lauf, die Kritik nicht gelten lassen. Viele Ausbildungsverhältnisse laufen wie am Schnürchen. „Es gibt ehrlicherweise aber auch mehr Defizite bei der Sozialkompetenz“, zeigt er sich besorgt. Er sieht nach Rückmeldungen aus Berufsschulen und Schulen vor allem „verzögerte Persönlichkeitsentwicklungen“.


Im letzten Jahr endete für zehn Schüler die Schullaufbahn in Erlangen ohne Abschluss, 70 Jugendliche hatten keinen Ausbildungsvertrag. Aus dem Unterrichtsalltag ist zu hören, dass manche Schüler häufiger eine regelrechte Verweigerungshaltung an den Tag legen und z. B. das übliche Berufspraktikum ablehnen. Andere Praktiker attestieren auch Schülern mit Abschluss, dass sie schulmüde sind und mehr Reifezeit bräuchten. Von manchem Elternhaus sei keine Hilfe zu erwarten, fasst Wolfgang Mevenkamp die Klagen zusammen. Der eine oder andere Schüler fehle unentschuldigt im Unterricht. Erst wenn ein Schul-Nachweis für Sozialleistungen nötig ist, kämen Eltern mit einer Dauerentschuldigung. Andere Eltern würden ihren Zöglingen alle Schwierigkeiten abnehmen und Probleme für sie aus dem Weg räumen. „Wir reden hier mittlerweile von Bulldozer-Eltern.“ Da werde schon mal mit dem Anwalt gedroht, wenn Schulnoten nicht so gut ausfallen.

Höhere Abbruchquoten befürchtet

Mehr schwächere und überforderte Berufsschüler könnten in Zukunft zu einer höheren Quote bei den Ausbildungsabbrüchen führen. Zu Jahresbeginn registrierte die Berufsschule Erlangen 113 Abbrecher. Bundesweit schwankt seit den 1990er Jahren aufgelöster Ausbildungsverträge zwischen 20 und 25 Prozent. Im letzten Jahr waren ist in Deutschland insgesamt 26,7 Prozent. Doch das kann für Wolfgang Mevenkamp verschiedene Gründe haben. „Es ist nicht nur Unlust oder Verweigerung von Azubis sowie Probleme in der Berufsschule.“ Andere Aspekte sind beispielsweise falsche Berufsorientierung, gesundheitliche Probleme oder Wohnortwechsels. Es kann aber auch mal an mangelnder Ausbildungsqualität eines Betriebs liegen. „Denn Trend sehen wir erst in ein paar Jahren deutlich.“ Auffällig sei allerdings, dass der Vandalismus etwa in Schulklos zunehme. Manche sehen hier den medialen Einfluss von Social-Media-Kanälen wie TikTok und prägen hierfür den Begriff „Kack-Challenge“.

Idealer Rahmen für erfolgreiche Ausbildung

Eigentlich ist die Situation für eine erfolgreiche Ausbildung und den anschließenden Berufsstart positiv. Anders als etwa bei der früheren Generation gibt es keinen Mangel an Ausbildungsangeboten, sondern Jugendliche haben eher die Qual der Wahl. Das Handwerk konnte zahlreiche Ausbildungsangebote nicht besetzen. Außerdem ist der gesellschaftliche Wohlstand in Deutschland so hoch wie nie. „Es ist aber fraglich“, gibt Wolfgang Mevenkamp zu bedenken, „ob das gut ist oder bei manchen Jugendlichen eher für Antriebslosigkeit sorgt“.

Bashing von Jugendlichen ist falsch

Schwächen von Azubis beim Lesen, Schreiben und Rechnen lassen sich auch durch mehr Hilfestellung in den Betrieben begegnen, „wenn es die jungen Leute annehmen“. Sollte sich verzögerte Ausbildungsreife fortsetzen, müsste auch über ein zehntes Pflichtschuljahr für Mittelschulen nachgedacht werden. Diese Diskussion findet bereits statt.

Ein pauschales Bashing schwächerer Jugendlicher findet Wolfgang Mevenkamp allerdings falsch. „In Schulen und Ausbildungsbetrieben schlägt das auf, was die Elternhäuser entlassen.“ Die Gesellschaft muss sich auch auf ihre Werte und den Grundkonsens in der deutschen Demokratie besinnen. Denn negative Auswüchse sind nicht allein bestimmten Schülern und Azubis zuzuschreiben. Der KHS-Verbands-Chef illustriert das an den Bauerndemonstrationen. „Es ist gutes demokratisches Recht, eine andere Meinung auf die Straße zu tragen. Einzelne Auswüchse, die ins Privatleben von Politikern eingreifen oder einen demokratischen Austausch sabotieren, sind das falsche Vorbild. Auch das sollte uns Sorgen machen.“

Quelle: KHS | Kreishandwerkerschaft Erlangen-Hersbruck-Lauf

Video/Bilder: Kauri Spirit - Ausbildungsbörse 2023 in Herzogenaurach

Text: Kauri Spirit