
Handwerker-Frühschoppen: Mit Innovationskraft und Kreativität trotzen wir der Bürokratie
Erlangen | Beim Handwerker-Frühschoppen der Kreishandwerkerschaft Erlangen-Hersbruck-Lauf ist deutlich geworden: Es sind keine einfachen Zeiten. Bürokratie, steigende Preise, Auftragsrückgänge und Nachwuchsmangel machen uns zu schaffen. Doch wir sind innovativ, kreativ und tatkräftig. Ein Mann, der unsere Stärken besonders verkörpert, ist zum Handwerker des Jahres gewählt worden: Peter Scholten.
Eine lahmende Weltkonjunktur, Kriege, Pandemie, Inflation und bestimmte politische Weichenstellungen sorgen für schwere Zeiten, auch im Handwerk. „Bauen ist nicht mehr rentabel“, mahnte Kreishandwerksmeister Markus Protze in seinem Grußwort beim Handwerker-Frühschoppen beim Haus des Handwerks in Erlangen an. Verschiedene Gewerke leiden an Fachkräftemangel, insbesondere die Baubranche klagt über Auftragsrückgänge.
Das Gebot der Stunde, betont Markus Protze, sei „eine Senkung der Steuerlast für Unternehmen“. Und: „Noch mehr Bürokratie brauchen wir nicht.“ Zwar gebe es ein Bürokratieentlastungsgesetz, doch dessen wichtigster Punkt sei eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Belege und Formulare. „Das bedeutet: Wir dürfen jetzt schon zwei Jahre früher die ,Löschen‘-Taste betätigen“, sagte Markus Protze.
Mehr Eigenverantwortung wagen
Walter Nussel, CSU-Landtagsabgeordneter aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt, ist Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für Bürokratieabbau. Auch er ist zum Handwerker-Frühschoppen gekommen. „In Bayern läuft es mit dem Abbau der Bürokratie besser als im Bund“, betonte er.
Im Austausch mit Vollzugsbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten werbe er stets dafür, bei Bauprojekten nur das Notwendigste an Auflagen einzufordern. Auch mit nichtstaatlichen Akteuren wie TÜV oder dem Deutschen Institut für Normung sei er im Gespräch. „Es gibt nie hundertprozentige Sicherheit im Leben“, betont Walter Nussel. „Wir brauchen wieder mehr Eigenverantwortung. Lasst den Leuten mehr Freiraum!“
Joachim Herrmann: “Die Bürokratie ausjäten”
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kommt trotz seines sehr vollen Terminkalenders fast jedes Jahr zum Handwerker-Frühschoppen in seine Heimatstadt Erlangen. „Hier komme ich sehr schnell ins Gespräch mit den Vertretern der Handwerkerschaft“, sagt er. „Es ist wichtig, unmittelbar aus dem Alltag zu hören, wie die Lage ist.“
Fragwürdige Vorschriften und komplizierte Genehmigungsverfahren, schwierige Auftragslage, steigende Energiepreise – das sind die Themen, die dem Minister immer wieder begegnen. Doch die Staatsregierung arbeite an Lösungen, betont Joachim Herrmann: „Wir sind kräftig dabei, die Bürokratie auszujäten.“
Auch investiere die Regierung in bezahlbaren Wohnraum, was auch der Baubranche zugutekomme. Als Beispiel nennt der Innenminister das Quartier Sieboldstraße, das gerade in Erlangen entsteht: Mehr als 100 Wohneinheiten sollen dort entstehen, davon rund ein Drittel öffentlich gefördert. „Wir versuchen, wenn es möglich ist, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand positiv zu gestalten“, sagt Joachim Herrmann.
Bäckern, Metzgern und Metallbauern fehlt der Nachwuchs
Bei der Handwerkskammer (HWK) für Mittelfranken bereitet der Nachwuchsmangel in einigen Gewerken Sorgen. „Vor allem im Bereich Nahrungsmittel, also Bäcker und Metzger, sieht es mau aus“, sagt Wolfgang Uhl, Geschäftsführer der HWK für Mittelfranken. „Darunter leidet die Qualität der Lebensmittel.“ Auch im Bereich Metallbau und Feinwerkmechanik fehle der Nachwuchs.
Besser sehe es im Bereich Sanitär, Heizung und Klima (SHK) aus, sagt Christian Sendelbeck, Vizepräsident der HWK für Mittelfranken: „Dabei geht es um Umwelt- und Klimaschutz. Das ist ein Bereich, der zurzeit Rückenwind hat.“
Wolfgang Uhl und Christian Sendelbeck betonen, dass es mehr Aufklärung und Werbung für das Handwerk an Schulen brauche. „Wir brauchen einen Tag des Handwerks an allen Schularten“, betont Christian Sendelbeck.
Wolfgang Uhl ergänzt: „Auch für jemanden mit Abitur kann ein Handwerksberuf das Richtige sein. Es geht um die Einheit von Handwerk und Kopfwerk.“ Gerade im dualen Studium ergänzen sich Theorie und Praxis oft optimal.
Peter Scholten: ein hochverdienter Handwerker des Jahres
Klar ist: Das Handwerk steht vor gewaltigen Herausforderungen. Kreativität, Tatkraft, Innovation und Verantwortungsbewusstsein sind gefragt. Jedes Jahr wird beim Handwerker-Frühschoppen der Handwerker oder die Handwerkerin des Jahres ausgezeichnet – eine Person also, die genau diese Werte lebt. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Peter Scholten, einen Erlanger Handwerker, der die Auszeichnung wahrhaft verdient hat.
Rund 40 Jahre lang leitete er den Malerbetrieb Scholten GmbH. Inzwischen hat er die Geschäftsführung an seine Kinder Laura und Mirko abgegeben. Von 2008 bis 2023 war Peter Scholten stellvertretender Kreishandwerksmeister.
Eine gemeinsame Jury aus VR Bank Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach, die den Preis stiftet, und der KHS Erlangen-Hersbruck-Lauf hat sich für Peter Scholten entschieden. Die maßgeblichen Werte seien „soziale Verantwortung, zielstrebige Arbeitsweise, fundiertes Fachwissen und Eigenständigkeit“, sagte Johannes Hofmann, Vorstandsmitglied der VR Bank Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach.
Den Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen
„Ich bin total überrascht”, sagte ein sichtlich erfreuter Peter Scholten, nachdem er den mit 1.000 Euro dotierten Preis erhalten hatte. Sein Erfolgsgeheimnis erklärt er so: „Das Wichtigste ist, seinen Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen. Ohne sie bekäme das Unternehmen keine Preise.” Zum Beispiel hat Peter Scholten in seinem Betrieb die Viertagewoche eingeführt und jedem Mitarbeiter ein Diensthandy zur Verfügung gestellt.
Sehr erfolgreich ist die Scholten GmbH bei der Nachwuchswerbung. „Die Zahlen gehen hoch, entgegen dem Trend“, sagt Peter Scholten. Das gelte sowohl für Praktika als auch für Azubis und Ausbildungsabschlüsse.
Der Scholten Malerfachbetrieb geht regelmäßig in Schulen, darunter auch Gymnasien, und wirbt für das Handwerk. „Der Zuspruch ist sehr gut”, sagte Peter Scholten. Beispielsweise ist sein Betrieb regelmäßig beim Tag des Handwerks am Albert-Schweitzer-Gymnasium (ASG) Erlangen vertreten. „Langsam setzt ein Umdenken ein“, hat der frisch gekürte Handwerker des Jahres beobachtet. „Die Leute merken, dass Handwerk kreativ und innovativ ist.“
Quelle: KHS | Kreishandwerkerschaft Erlangen-Hersbruck-Lauf
Video/Bilder: KHS Erlangen, Kai Stürmer
Text: Kauri Spirit